Veränderungen im Zusammenhang mit der Covid19 Pandemie
Viele Unternehmen haben während der Pandemie das Arbeiten von zuhause unbürokratisch und flexibel zum „New Normal“ erklärt; jetzt bereiten sich viele wieder auf die Rückkehr ihrer Mitarbeiter*innen vor. Dabei schwanken die Vorstellungen darüber, wieviel Prozent der Arbeit in Zukunft von zuhause aus ermöglicht werden soll erheblich, je nach Branche und Unternehmensgröße:
Einer Umfrage der BAUA zufolge wollen – über alle Betriebe hinweg – 67% nach der Krise auf das Niveau von vor der Krise zurückkehren, Heimarbeit also wieder verringern. Bei einem Teil davon, nämlich in Betrieben mit 250 oder mehr Mitarbeiter*innen steigt der Anteil derer, die Arbeit von zuhause aus in stärkerem Umfang als vor der Krise ermöglichen wollen aber immerhin auf 54%. Einer Befragung des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zufolge wollen sogar 71% der befragten Betriebe mehr Homeoffice anbieten als vor der Krise.
Unabhängig davon ist klar, dass das gemeinsame Büro zentraler Anlaufpunkt und Herz eines Unternehmens bleiben wird. Unternehmenskultur ist im Unternehmen als physischem Raum ganz besonders erlebbar und wird dort geformt.
Dieser Raum jedoch wird sich verändern müssen, wenn Mitarbeiter*innen nach Monaten im Homeoffice zurückkehren.
Im Folgenden stellen wir Euch drei Beispiele vor, wie sich Unternehmen das Arbeiten für die Zeit nach der Pandemie vorstellen. Dabei scheinen sich Veränderungen insbesondere auf diese Aspekte zu fokussieren:
Flexibilisierung:
Arbeitsräume (insbesondere Büroräume) müssen sich schnell und einfach verändern lassen. Ob das Arbeitsinhalte sind, die unterschiedliche Bürosettings erfordern oder eine Pandemie, die gewohnte Bürostrukturen und -prozesse durcheinander würfelt; zeitgemäße Büroeinrichtung berücksichtigt diese Anpassungsfähigkeit bereits in der Planung.
Individualisierung:
Die Digitalisierung der Arbeitsumgebung ermöglicht – quasi als Nebeneffekt – eine größtmögliche Individualisierung – von der automatischen Anpassung der Tischhöhe oder Sitzneigung über die automatische Regelung von Temperatur oder Lichteinfall bis hin zu persönlichen Inhalten, die auf Bildschirmen eingeblendet werden können. Die Mitarbeiterin braucht nur noch ihren Chip an das Lesegerät zu halten und findet wenige Sekunden später „ihren“ individuell eingerichteten Arbeitsplatz vor, egal in welchem Teil des Bürogebäudes, sie arbeiten möchte.
Humanisierung:
Menschen können und wollen produktiv sein und benötigen dafür die passende Infrastruktur (Raum, Mobiliar, technische Ausstattung). Gleichzeitig ist gerade in Zeiten des „social distancing“ offensichtlich geworden, dass das Büro als Ort der Zusammenkunft, des Zusammenarbeitens und des Zusammenseins neue Bedeutung bekommen hat. Die folgenden Beispiele zeigen das sehr eindrücklich.
3 Beispiele für Anpassungen der Infrastruktur nach Corona.
Google: Fokus auf Flexibilität
Google empfiehlt zwar für die geplante Rückkehr seiner Mitarbeiter*innen eine Impfung, diese ist aber keine Pflicht; statt dessen soll das zukünftige Bürokonzept das Ansteckungsrisiko senken.
Eigene Beobachtungen führten bei Google zu 3 Grundannahmen, wie sich Büroarbeit in Zukunft verändern muss:
1. Arbeit findet überall statt
2. Anforderungen an Arbeitsplätze ändern sich fortlaufend
3. Arbeitsplätze müssen mehr bieten als Tische, Stühle, Räume
Soweit – so banal. Was bedeutet das jetzt in Zusammenhang mit den Veränderungen aus der Covid19 Pandemie?
Google geht davon aus, dass die benötigte Bürofläche nach der Pandemie ähnlich groß sein wird wie vor der Pandemie. Obwohl mehr Mitarbeiter*innen Homeoffice nutzen werden, muss aufgrund von z.B. Hygienekonzepten mehr Fläche pro anwesender/m Mitarbeiter*in vorgehalten werden. Statt Großraumbüros soll diese Fläche aber in sog. „Teampods“ organisiert werden, das sind abgetrennte Abteile mit frei aufstellbaren Trennwänden und flexiblen Büromöbeln.
Weitere Ansätze umfassen z.B.
- bewegliche Wände mit mobilen Heiz- und Belüftungssystemen,
- „campfire-meetings“ statt Konferenzräume (hybride meetings),
- automatisierte, individualisierte Arbeitsplätze,
- Outdoor offices (Arbeiten unter freiem Himmel oder in Zelten) und
- Essen zum Mitnehmen (Lunchboxen) statt Buffet-Prinzip in der Cafeteria.
Vitra: „Club Office“
Vitra entwickelt als Antwort auf die veränderten Arbeitsbedingungen das „Club Office“. In seinem Hauptsitz in Basel, Schweiz, soll dort am 10. Juni 2021 in einer Vitra Session „Club Office“ das Konzept vorgestellt und die Räume eröffnet werden (das Event soll in einem Live-Stream übertragen werden).
Aufgrund aktueller Entwicklungen müssen Bedingungen einer neuen Realität wie z.B. soziale Distanz, Gesundheit, Sicherheit am Arbeitsplatz, Anstieg von Remote Work/ Distributed Work und Reisebeschränkungen in Planung und Realisierung von Büroräumen einfließen. Gleichzeitig treten – bedingt durch die aktuellen Arbeitsbedingungen – z.B. das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, der Wunsch nach sozialer Interaktion und Phänomene wie die Vermischung von Berufs- und Privatleben in den Vordergrund und verändern Arbeitsgewohnheiten.
In einer Umfrage unter Start-Ups ging Vitra dem Sinn und der Aufgabe eines physischen Büros nach. Die Ergebnisse deuten in dieselbe Richtung:
- 73 % der Befragten vermissen die soziale Interaktion im Büro
- 51 % der Befragten vermissen die Zusammenarbeit im Büro
- 40 % der Befragten vermissen Trennung zwischen Beruf und Privatem durch die Arbeit aus Büroräumlichkeiten
Als wichtigste Treiber für Arbeit und Arbeitsumgebungen nennt Vitra:
- Produktivität,
- Innovation und Inspiration,
- Unternehmenskultur und Mitarbeiter*innenbindung
Vitras Club Office dient als Schnittstelle zwischen sozialem Leben und dem Ort für Kollaboration und Lernen. Das Club Office wird zur Heimat der Mitarbeiter*innen des Unternehmens.
designfunktion: „Multispace/Activity-based Working“
Für die Beratungs- und Planungsspezialisten von designfunktion unterstützt die ideale Arbeitswelt die in einem Unternehmen stattfindenden Tätigkeiten und Prozesse bestmöglich, sie nennen das Multispace / Activity-based working.
Je nach ihrem Tätigkeits-Zweck finden sich (Büro-) Räume in einer von 5 unterschiedlichen Kategorien:
- Basis: Raum für einfache Aufgaben, die allein durchgeführt werden
- Rückzug: Raum für Aufgaben mit hohem Konzentrationslevel, die allein durchgeführt werden
- Besprechung: Raum für Zusammenkünfte zum reinen Informationsaustausch, klassisches „Meeting“
- Co-Kreation: Raum für gemeinsames, kreatives und agiles Arbeiten mit dem Ziel, neue Konzepte, Lösungen oder Produkte zu entwickeln
- Gemeinschaft: Raum für informellen oder nicht-arbeitsbezogenen Austausch; dienen dem Zusammenhalt und Stärkung des Wir-Gefühls
Die Veränderungen in den Arbeitsgewohnheiten, die durch die Covid19 Pandemie nochmals verstärkt wurden, werden nach Ansicht von designfunktion zu Verschiebungen in den einzelnen Kategorien führen:
Räume der Kategorien Rückzug, Co-Kreation und Gemeinschaft, werden in den Bürogebäuden verstärkt benötigt und genutzt werden, stattdessen Basis-Tätigkeiten und klassische Besprechungen in Büros weiter abnehmen. Diese Tätigkeiten lassen sich gut aus dem Homeoffice oder vom mobilen Arbeitsplatz aus erledigen.
Im zweiten Teil unseres Ausblicks auf die Zeit nach der Pandemie werfen wir einen Blick auf die Kompetenzen, die wir brauchen werden, um (wieder) zusammen-arbeiten zu können.
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Quellen und Bilder:
https://www.unicorn.de/blog/workspace-design-der-zukunft-das-club-office-von-vitra/
Vitra (2021). The future of shared spaces. E-paper Issue 05. https://www.vitra.com/de-de/sessions/distributed-work
www.unsplash.com: Priscilla Du Preez, Matthieu Comoy, Stefan Steinbauer, Tim Van Der Kuip, Campaign Creators, Copernico