Das Soziodrama als Intervention in der Organisationsberatung
Relevanz und Hintergrund:
Vor rund hundert Jahren entwickelte Jacob Moreno, beeindruckt von der damals sehr populären Bewegung des „Stegreif-Theaters“ die Methode des „Psychodramas“. In seinem Anspruch, eine Wissenschaft zu begründen, die – im Gegensatz zur Individuumsbezogenen Psychiatrie – helfen sollte, soziale Systeme zu verändern, sah er Soziodrama und Psychodrama als die entsprechenden methodischen Interventionen. Wenn auch das ein oder andere aus dieser Zeit nur noch episodisch rekonstruiert werden kann, sind rund 100 Jahre Psychodrama-Arbeit doch ein guter Anlass, die Methode ausgiebig zu würdigen und in die Zeit zu holen.
Das Buch:
Die Autor*innen des hier rezensierten Buches führen uns auf rund 300 Seiten von der Geschichte und den Grundlagen der Methode über die Funktionsweise, Techniken und Instrumente der Methode bis zu Anwendungsfragen („Formate“). Garniert mit reichlich Praxisbeispielen ergibt sich so das Bild einer Methode, die gerade in den Zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts helfen könnte, akute soziale Fragen zu bearbeiten.
Der Inhalt:
Nach einer kurzen Darstellung des (wichtigen) historischen Kontexts und von Aspekten, die bei der Entstehung der Methode eine Rolle gespielt haben, nehmen die Autor*innen zunächst eine Abgrenzung des Soziodramas vom Psychodrama vor und beschreiben dann Ähnlichkeiten und Unterschiede der Methode (Soziodrama) zu verwandten Ansätzen (wie z.B. dem Playback-Theater, u.a.). Wer mit Aufstellungen in Organisationen arbeitet, wird auch dazu Parallelen und Unterschiede entdecken, ein Bezug zur Organisationsaufstellung wird aber nicht hergestellt.
Das umfangreichste Kapitel im Buch gilt dem Soziodrama als Methode selbst: dem Ablauf, den Techniken und den Rahmenbedingungen.
Bevor die Autor*innen auf einzelne Techniken eingehen, beschreiben sie schematisch den Ablauf eines Soziodramas: Erwärmung, Aktion, Reflexion. Die drei Phasen werden in ihrer Bedeutung für den Prozess beschrieben und zeigen wichtige Aspekte einer erfolgreichen Durchführung wie auch die Vielfalt soziodramatischer Anwendungsmöglichkeiten auf.
Im anschließenden Teil des Buches findet sich eine Auflistung unterschiedlichster Techniken, inkl. Zielsetzung und Fallstricken sowie die Einordnung möglicher Anwendungsfälle in Erwärmungs-, Aktions- oder Reflexionsphase. Hier findet sich eine Vielzahl an Techniken, die durch die lebhafte und anschauliche Beschreibung wiederum deutlich machen, welches Potenzial im Soziodrama steckt und welche Anforderungen gleichzeitig mit der Durchführung einhergehen.
Auch deswegen hilft es, dass im folgenden Kapitel „Rahmenbedingungen für ein Soziodrama“ die Autor*innen auf verschiedene Aspekte eingehen, die Einfluss auf den Erfolg der Methode nehmen. Die Autor*innen geben sowohl theoretische als auch praktische Hinweise und beschreiben anhand von Fragestellungen oder Fallbeispielen die konkrete Anwendung.
Besonders das Kapitel über sog. „Formate“ (Organisationsberatung, Psychotherapie, Bildung, u.a.) zeigt durch strukturiert aufbereitete Anwendungsbeispiele (Ziel und Inhalt, Hintergrund, Mögliche Forschungsfragen, Plot, Beschreibung), dazu Praxisfälle, Tipps und Hintergrundinformationen die Möglichkeiten der Methode auf. Gut erläutert, lebhaft und praxisnah beschrieben, liest sich dieser Teil für einen Methodenteil angenehm flüssig und anschaulich. Wer diese Kapitel durchgearbeitet hat, mag direkt Lust bekommen, die Methode auszuprobieren. Da ist es gut, dass die Autor*innen an den passenden Stellen immer wieder darauf hinweisen, dass die Anwendung des Soziodramas als zielgerichtete Intervention durchaus anspruchsvoll ist und eine solide Grundausbildung und Erfahrung in der Arbeit mit Individuen und sozialen Systemen auf Seiten der Durchführenden voraussetzt.
Variationen des Verfahrens (z.B. soziodramatische Fallbesprechung) und besonderen Anwendungsfällen wie z.B. Großgruppen oder Digitalen Anwendungsformaten haben die Autor*innen zwei weitere Kapitel gewidmet; dort finden sich auch die oben erwähnten „Erwärmungsübungen“, übersichtlich gruppiert nach den Zielen und mit Bezug auf das Soziodramatische Vorgehen erläutert.
Aus der Sicht des Transaktionsanalytikers:
Als Transaktionsanalytiker schaue ich mit einem besonderen Blick auf Methoden; Diese Methode kann eine fundierte Erweiterung des eigenen Werkzeugkastens darstellen, sind wir doch speziell trainiert und geübt darin, die kindlichen Anteile in der Arbeit mit unseren Klienten mit einzubeziehen. Der Zugang über das spielerische, kreative Potenzial liegt dabei nur nahe und das Soziodrama liefert eine schöne Blaupause für entsprechende methodische Interventionen.
Eric Berne hat mit seiner Beschreibung psychologischer Spiele unseren Fokus auf die musterverstärkenden Aspekte unseres Verhaltens gelenkt. Wie das bewusste, kreative und darstellende Spiel helfen kann, genau solche Muster offen zu legen und zu verändern ist ein schöner Perspektivenwechsel und geeignet, den eigenen Bezugsrahmen in Sachen Transaktionsanalyse zu erweitern.
Das Buch liefert einen klar strukturierten, gut recherchierten und anschaulich geschilderten Überblick über das „Soziodrama“ als Methode für die beraterische Arbeit mit Gruppen und Organisationen. Es liefert einen Fundus an Techniken und lebt von der spürbar vielfältigen Erfahrung der Autor*innen. Besonders die praxisnah beschriebenen Techniken und die Fallbeispiele machen es leicht zu lesen und anschaulich. Sicherlich gehört Mut dazu, sich auf so spielerische Art den Themen einer Gruppe oder Organisation zu nähern; das ist aber eher als Aufforderung gedacht, es genau deswegen zu tun.
Mehr dazu:
Diese Rezension ist eine gekürzte Version und erschien ursrpünglich in der ZTA – Zeitschrift für Transaktionsanalyse (4/2021) und kann dort in Gänze nachgelesen werden.
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Quellen und Bilder:
Praxishandbuch Soziodrama – Theorie, Methoden, Anwendung. Christoph Buckel, Uwe Reineck, Mirja Li Anderl, 2021; Beltz Verlag, Weinheim
Bild:
https://www.beltz.de