Photo by Austin Chan on Unsplash

Willkommen zum zweiten Teil in unserer Reihe zum Thema Moderation. Im ersten Teil ging es um die Frage, wozu ein längerer Austausch in Meetings gut sein kann. Nämlich zur Klärung eines Themas während des Sprechens. https://www.piri-piri.consulting/post/strategieentwicklung-kein-abschweifen-kein-palavern

Heute gibt es etwas zur Moderation von komplexen oder mit Emotionen aufgeladenen Themen, denn Gefühle spielen bei der Diskussion eines Themas und bei der Entscheidungsfindung oft eine größere Rolle, als man gemeinhin annimmt (oder zugibt).

Diskussionen sind besonders dann fruchtlos, wenn die Emotionen hinter Argumenten versteckt werden. Dann wird nämlich eigentlich Ping-Pong gespielt und nicht nach einer Lösung gesucht. Klar, alleine die Tatsache, dass diskutiert wird, heißt nicht, dass es auch wirklich darum geht, eine Lösung zu finden. Aber angenommen, es gibt ein „heißes“ Thema, eines, das vielleicht schon länger in der Organisation kreist, das immer wieder in die Hand genommen wird, dabei viel Unruhe verursacht und dann wieder weggelegt wird, weil es aussichtslos erscheint, eine gute Lösung dafür zu finden. Nehmen wir weiter an, das Thema ist so wichtig für die Organisation, dass eine Lösung her muss. Die Teams, die den Auftrag bekommen, das Thema zu bearbeiten und zu einer guten Entscheidung zu kommen, fühlen sich oft hilflos und machen die immer gleichen Erfahrungen: egal, wie gut strukturiert die Diskussion auch ist, es will sich einfach keine Lösung finden. Die Fronten scheinen verhärtet, Argument steht gegen Argument und irgendwie ist auch spürbar, dass mehr als nur diese Argumente im Spiel sind, eine latente Energie, die aber nicht an die Oberfläche kommt. Es braucht also eine andere Herangehensweise, eine, die sowohl den Argumenten, als auch den Emotionen einen Raum gibt. Eine Methode, die erlaubt, dass nicht nur das gesagt wird, was schon immer gesagt wurde, sondern ermöglicht, dass neue Ideen entstehen.

Ich spreche von Dynamic Facilitation. Als Dynamic Facilitator öffne ich bewusst den Raum für alles, was gesagt werden will/muss. Alles soll raus. Mein Job ist es , das Gespräch am Laufen zu halten und die Beiträge sichtbar zu machen und zwar in vier verschiedenen Kategorien:

  1. Herausforderungen/Fragen
  2. Lösungen/Ideen
  3. Bedenken/Einwände
  4. Informationen/Sichtweisen

Ich mache sichtbar, was sowieso schon im Raum ist, ermutige, auch die Dinge auszusprechen, die nicht faktisch sind, vielleicht auch erst einmal nicht sachlich, sich dann aber doch als Bedenken oder Sichtweisen einordnen lassen. Ich gebe Raum, damit alles gesagt werden kann, damit alles gehört werden kann und damit eine neue Gelassenheit im Zusammenhang mit dem Thema entstehen kann.

Es gibt in diesen Prozessen oft einen Wendepunkt, eine längere Phase der Stille, eine Leere, die mit einem neuen Sinn gefüllt wird. Diese wird gespeist durch das Vertrauen in die Beteiligten und in den Prozess. Ich als Moderatorin widerstehe der Einladung, diese „Lücke“ mit etwas zu füllen und überlasse den Raum den Beteiligten und ihren Gedanken und Ideen, die sich meist als sehr fruchtbar und in einer neuen Art auf Zusammenarbeit ausgerichtet zeigen.

In den meisten Prozessen wird durch Dynamic Facilitation eine einseitige Betrachtung des Themas deutlich, eine Fokussierung auf bestimmte Dimensionen. Beispielsweise wird sichtbar, dass die Teams das Thema Lösungen/Ideen, bisher komplett ausgeblendet haben, weil sie so sehr mit dem Problem selbst, den Herausforderungen und Fragen beschäftigt waren. Die Moderation macht das auf eindrückliche Weise für die Beteiligten sichtbar und ermöglicht es so, den Prozess auf alle vier Bereiche auszuweiten, was als sehr hilfreich wahrgenommen wird und den Lösungsraum enorm erweitert.

Grundsätzlich eignet sich diese Art der Moderation für Fragen, die emotional aufgeladen, in ihren Auswirkungen vielfältig und komplex und nicht durch Anordnung von oben zu lösen sind.

Wir haben es oft mit strategischen Fragestellungen zu tun. In einem Fall ging es zum Beispiel darum, dass drei Teams zu einer Entscheidung über eine Plattformlösung kommen sollten, die zukünftig die Basis ihrer Produkte und Dienstleistungen bildet. Viele Stunden interner Diskussion mit und ohne Moderation hatten zu keinem Ergebnis geführt. Durch Dynamic Facilitation war es möglich geworden über Befürchtungen und persönliche Sichtweisen zu sprechen und dann gemeinsam den Ideenraum zu erweitern und hier eine Lösung finden.

Außerdem nutzen wir die Methode gerne in Veränderungsprozessen, beispielsweise bei der Reorganisation eines Kunden, in deren Rahmen die Zusammenarbeit in neu zusammengesetzten Teams schwierig war. Im Verlaufe der Dynamic Facilitation wurde klar, dass es zu wenige Informationen gab, also nur persönliche Sichtweisen und jede Menge Bedenken. Das Team war sehr froh darüber, diesen Bedenken Raum geben zu können. In einem zweiten Schritt wurden die Lücken bei den Informationen durch das Management geschlossen, so dass wir in die Erarbeitung von Lösungen gehen konnten, die von dem neuen Team gut angenommen wurden, weil sie auf Basis der Bedenken und Herausforderungen aller im Team erarbeitet wurden.

Wir können komplexe Probleme nur mit Methoden bearbeiten, die dieser Komplexität Rechnung tragen. Jede Form von Komplexitätsreduktion führt entweder zu nicht zufriedenstellenden Ergebnissen oder zur Verstärkung der Konflikte, die um das Problem herum existieren

Daraus ergibt sich eine interessante Beobachtungsaufgabe (finde ich): Wenn immer du das Gefühl hast, das Ergebnis eines Entscheidungsprozesses verfängt nicht richtig oder es spaltet die Beteiligten statt sie zu einen: Wie komplex war die Fragestellung und welchen Grad an Komplexitätsreduktion habt Ihr angewendet?

Ich wünsche fruchtbare Erkenntnisse 🙂