Unser letzter QUEST drehte sich um das Thema „Digitalisierung“. Die Diskussion um praktische Implikationen für den Alltag will ich heute aufgreifen und Bezug nehmen auf einen kurzen post anlässlich der Aufkündigung des „privacy shield“-Abkommens, mit dem ich vor ein paar Wochen ein Dilemma benannt hatte, das viele Branchen gleichermaßen betrifft:
Der Spagat zwischen Verfügbarkeit, Alltagstauglichkeit und Einfachheit digitaler Produktivitäts- und Kommunikationstools auf der einen Seite und der Frage nach Datenschutz, Sicherheit und dahinter liegendem Geschäftsmodell der jeweiligen Anbieter auf der anderen Seite.
Die zahlreichen digitalen Programme und Dienste, die uns zur Verfügung stehen, täuschen mit ihrer Einfachheit, Gleichförmigkeit und ihren bunten Benutzeroberflächen darüber hinweg, dass wir für grundlegende Probleme dieses Teils der Digitalisierung bisher kaum praktikable Lösungen gefunden haben.
Konkret meine ich damit
a) den Datenschutz („privacy“)
b) die Sicherheit (unserer digitalen Aktivitäten) („security“) und
c) die Abhängigkeit von quasi-Monopolisten wie z.B. Microsoft, Google und anderen, die Digitalisierungsvorhaben geschickt nutzen und ihre Vormachtstellung weiter ausbauen („platform capitalism“).
Neben all dem, was man aktuell über etablierte Dienste in Zusammenhang mit Datenschutz und Sicherheit zu lesen bekommt, will ich in diesem blog kurz auf den dritten Aspekt eingehen (c): Die Frage nach dem Geschäftsmodell hinter den digitalen Diensten, die wir alle tagtäglich so nutzen.
Bei Piri-Piri Consulting haben wir auch vor der Pandemie schon online gecoacht und Webinare gemacht. Mittlerweile haben wir eine Menge Tools ausprobiert: MS Teams oder Zoom, WebEx oder GoToMeeting, BigBlueButton oder Jitsi (Habe ich was vergessen…?). Als dann die Nutzerzahlen und der Traffic in nur wenigen Tagen explodierten, haben wir uns einen Zoom-Account geleistet, um auf der sicheren Seite zu sein. Schließlich schien Zoom seine Kapazitäten noch am schnellsten auf die neue Situation einstellen zu können und eine stabile Verbindung mit ausreichend hoher Bandbreite sowie einem komfortabel zu nutzendem Tool garantieren zu können.
Wie viele andere auch haben wir beide Augen (Datenschutz und Sicherheit) zugedrückt, um unser Angebot aufrecht halten zu können.
Und gleichzeitig war uns nie so recht wohl dabei, was zwar auch mit den ersten beiden Aspekten (Datenschutz und Sicherheit) zu tun hat, mindestens aber genausoviel mit den Geschäftsmodellen derjenigen Anbieter, die gerade in diesen Zeiten so florieren (Stichwort „Plattform-Kapitalismus“).
Auch deswegen haben wir immer wieder nach Alternativen zu den boomenden big playern gesucht. Alternativen, die auf der einen Seite datenschutzfreundlicher sowie sicherer zu handhaben sind, auf der anderen Seite aber auch ein anderes Geschäftsmodell verfolgen. Da sind wir natürlich ganz klar voreingenommen. Auch im Geschäftsleben halten wir eine Kooperation auf Augenhöhe für die attraktivere Variante und vermeiden einseitige Abhängigkeiten wo möglich. Und so haben wir vor kurzem einen Hostingdienst gefunden, der unseren Prinzipien und Werten sehr weit entgegenkommt und einiges mitbringt, was uns das digitale Leben erleichtern sollte:
Die hostsharer sind eine eingetragene Genossenschaft, die ihren Mitgliedern online-Dienste (von einfachen Software-Applikationen bis hin zu ganzen Servern) zur Verfügung stellt.
Das beste dabei: Das sind alles echte Menschen.
Unglaublich? Ist aber so. Schon gleich nach dem ersten Kontakt – zugegebenermaßen ein automatisch generiertes Ticket – meldete sich eine Mitarbeiterin, die es tatsächlich auch gibt. Keine so „Miriam Mustermann“, die computergeneriert unter jeder mail erscheint, die an potenzielle Kunden geht. Und genau diese Mitarbeiterin hat direkt angeboten, bei einem Treffen über unsere Bedarfe und Wünsche zu sprechen. So haben wir uns mit ihr getroffen, unsere Nöte dargelegt und ihr ausserdem zu verstehen gegeben, dass die Preisgestaltung, so wie sie auf der website der Genossenschaft erläutert wird, nicht ganz durchsichtig ist. Das hat sie geduldig alles aufklären können, so dass wir den Kontakt gehalten, unser Budget geprüft und gemeinsam mit ihr einen Plan aufgestellt haben, wie wir Schritt für Schritt von all den proprietären Softwarelösungen, die wir aktuell noch nutzen, zu einem offeneren, sicheren und DSGVO-konformen Angebot an digitalen Diensten kommen.
So stehen wir jetzt am Anfang einer Umstellung, die sicherlich noch einige Überraschungen mit sich bringt. Das haben aber alle IT-Lösungen so an sich und die Freude darüber, mit echten Menschen Lösungen in die Welt zu bringen, die allen Beteiligten zu Gute kommen, hat doch wirklich was euphorisierendes.
Falls das alles für Euch wie Werbung klingt, muss ich sagen: Ja, das kann sein. Schließlich bin ich Mitglied von hostsharing.net, sozusagen ein virtueller Genosse und ich freue mich mächtig drauf, jetzt an die Umsetzung zu gehen.
Wir berichten gern darüber, wie es vorangeht und welche Erfahrungen wir gemacht haben.
Zum Nach- und Weiterlesen:
* Zuboff, Shoshana (2018): Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus. Campus Verlag, Frankfurt am Main
* https://www.heise.de/news/Live-Webinar-Privacy-Shield-gestoppt-was-nun-4875043.html
* https://www.datenschutz-notizen.de/ende-zu-ende-verschluesselung-von-videokonferenzen-1825597/
* https://link.springer.com/article/10.1007/s11186-020-09408-y
* Srnicek, Nick (2018): Plattform-Kapitalismus. E-book, Hamburger Edition HIS Verlagsges. mbH, Hamburg